Aktuell
«Gestaltung der Arbeitswelten und Erwerbsbiografien»
Die Arbeitswelt von heute fordert ein Umdenken: Starre Karrierewege gehören der Vergangenheit an, während flexible und nachhaltige Modelle die Zukunft prägen. An der zweiten Veranstaltung der Reihe «Die Arbeitswelt im Wandel» beleuchten Fachpersonen neue Ansätze, die individuelle Bedürfnisse und globale Entwicklungen gleichermassen berücksichtigen.
Sarah Beyeler und ChatGPT
Wie sieht heutzutage eine Laufbahn aus? Flexibel, nachhaltig und individuell, sagt Dr. Julian Marciniak vom Psychologischen Institut der Universität Bern. Traditionelle, lineare Karrierewege sind durch vielfältige Pfade ersetzt worden, die von Wechseln zwischen verschiedenen Phasen wie Berufseinstieg, Auszeit, Selbständigkeit und Weiterbildung geprägt sind.
Heutzutage gibt es keine lineare Karriereentwicklung mehr
Zentrale Punkte sind lebenslanges Lernen und eine starke Eigenverantwortung für die eigene Karriereentwicklung. Marciniak betont, dass Ressourcen wie Autonomie, Kompetenz und Verbundenheit für eine erfüllende und nachhaltige Laufbahn entscheidend sind. Gleichzeitig sind globale Phänomene wie «Quiet Quitting» und steigender Arbeitsstress zu beobachten, die zeigen, wie belastend die moderne Arbeitswelt geworden ist. Trotz dieser negativen Tendenzen sieht Julian Marciniak auch Chancen: Die Digitalisierung kann monotone Aufgaben übernehmen, was den Menschen mehr Raum für sinnvollere Arbeit lässt. Zudem bieten flexiblere Arbeitsmodelle und Laufbahnen die Möglichkeit, berufliche und private Interessen besser zu vereinbaren.
Führung im Umbruch
Madeleine Zbinden und Dominik Scherrer von Kompass Leadership sprechen über die Bedeutung von Führung in der heutigen, komplexen Welt. Sie kritisieren den traditionellen, ökonomischen Produktivitätsbegriff, der auf maximalem Output bei minimalem Input basiert und der die Menschen von sich selbst und von der Natur entfremdet. Sie wünschen sich einen humanistischeren Ansatz, der diese Entfremdung überwinden soll.
«Wir denken, es ist an der Zeit, einen humanistischen Produktivitätsbegriff in Unternehmungen einzubringen»
Herkömmliche Führungskonzepte reichen für die Anforderungen der heutigen komplexen Zeit nicht aus; es braucht eine neue Art des Denkens, Fühlens und Handelns in Organisationen, sind sie überzeugt. Führungskräfte sollen durch neue Kompetenzen und Haltungen in der Lage sein, eine nachhaltige und lebenswerte Zukunft zu gestalten, wobei die Zusammenarbeit, systemisches Denken und persönliche Reflexion zentrale Elemente sind. Genau dies wollen sie in ihrem Leadership-Programm vermitteln.
Vorteile der Viertagewoche in einem Handwerksbetrieb
Thomas Heldner, Geschäftsführer und Inhaber von SH Elektro Telematik in Spiez erzählt, wie er aufgrund von Schwierigkeiten bei der Mitarbeitersuche in seinem Betrieb die 4-Tage-Woche einführte, um attraktiver für potenzielle Bewerber:innen zu werden. Es hat sich gelohnt: Seit der Umstellung vor zwei Jahren sind 19 Blindbewerbungen eingegangen, ohne dass Inserat- oder Personalbeschaffungskosten anfielen. Und es zeigt sich, dass die Mitarbeitenden motivierter, erholter und produktiver sind, während die Krankheitsausfälle deutlich zurückgegangen sind und die Produktivität stabil geblieben oder gar angestiegen ist.
«Wir hatten im ersten Jahr minus 43 Prozent Krankstunden»
Die Reaktionen von Kund:innen und anderen Unternehmen sind überwiegend positiv, resümiert Heldner. Die Mitarbeiter nützen den zusätzlichen freien Tag für persönliche Projekte, Weiterbildung und familiäre Aufgaben. Nach diesen positiven Erfahrungen sieht Thomas Heldner die 4-Tage-Woche als das Arbeitsmodell der Zukunft. Eine Rückkehr zur 5-Tage-Woche ist für ihn unvorstellbar geworden.
ZUR AUTORIN
Sarah Beyeler arbeitet am Forum für Universität und Gesellschaft
Zur Veranstaltung
Sämtliche Unterlagen und Aufzeichnungen zu den Veranstaltungen «Die Arbeitswelt im Wandel» finden Sie unter diesem Link: www.forum.unibe.ch/arbeit