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Judith Wemmer, Karin Spori und Christian Bärtsch stehen während ihrer Podiumsdiskussion an Stehtischen mit weissen Tischtüchern. Im Hintergrund ist ein Banner mit dem blauweissen Forumslogo sichtbar.
Judith Wemmer, Karin Spori und Christian Bärtsch (v.l.n.r.) beschäftigen sich alle mit der nachhaltigen Ernährung der Zukunft. Bild: © FUG / Manu Friedrich

Pflanzlich, smart und klimafreundlich

Klimawandel, Tierwohl, Gesundheit – die Ernährung der Zukunft muss gesund sein und gleichzeitig den Planeten schützen und ethischen Standards genügen. Innovationen sind im Gange, zeigt ein kurzer Streifzug durch verschiedene Ansätze – vom Insekten-Startup bis hin zum Verein gegen Food Waste.

Von Sarah Beyeler

Die Forderungen an unsere Ernährung sind vielfältig: Nachhaltig soll sie sein, klimafreundlich, gesund und nicht zuletzt auch schmackhaft. In der Schweiz tüfteln verschiedenste Startups und Forscher:innen an unserem Speiseangebot herum und bieten neue Produkte an. Doch nicht nur auf unseren Tellern landen neuartige Nahrungsmittel, auch Nutztieren wird neue Kost vorgesetzt.

Mikroalgen als Superfood für Nutztiere

Tofu, Sojamilch und Sojasosse – das sind Produkte, die einem beim Stichwort Soja wohl spontan einfallen würden. Doch 80 Prozent der Sojabohnen wird zu Sojaschrot verarbeitet, das anschließend als Futtermittel in Tiertrögen landet. Abhilfe schaffen könnten Mikroalgen, die aufgrund ihres hohen Nährstoffgehalts eine interessante alternative Proteinquelle für Nutztiere sind und in deren Fütterung Sojaschrot ersetzen könnte. An der ETH erforscht PD Dr. habil. Katrin Giller ihr Potenzial. «Der grosse Vorteil der Mikroalgen ist, dass sie sehr nachhaltig und ressourcenschonend produziert werden können.» Zudem wüchsen sie bis zu zehnmal schneller als terrestrische Pflanzen.
Heute seien über 30'000 Mikroalgen-Arten identifiziert. Ihre Forschung fokussiere auf die Spirulina, welche sehr reich an Proteinen sei und alle essenziellen und nicht-essenziellen Aminosäuren enthalte, erklärt Giller.

Bei einer Gras- und Maissilage-basierten Fütterung von Mastmunis kann Sojaschrot ohne negative Effekte auf die Leistung und Fleischqualität vollständig durch Spirulina ersetzt werden.

Bereits seit längerem werde Spirulina als alternative Proteinquelle für Geflügel eingesetzt, wo es Sojaschrot teilweise ersetzt. Das Fleisch der mit Spirulina gefütterten Tiere weise eine intensivere Farbe auf und habe einen stärkeren «Geflügelgeschmack», ansonsten gebe es kaum Unterschiede zum Fleisch von Tieren mit herkömmlicher Fütterung.
In Studien zur Wiederkäuerfütterung sei Sojaschrot komplett durch Spirulina ersetzt worden. «Bei einer Gras- und Maissilage-basierten Fütterung von Mastrindern kann Sojaschrot ohne negative Effekte auf die Leistung und Fleischqualität vollständig durch Spirulina ersetzt werden.» Auch bei Milchkühen trete bei einer Heu-basierten Fütterung nach dem Ersatz von Sojaschrot durch Spirulina kein negativer Effekt auf Leistung und Milchqualität auf. Es könne sogar sein, dass die Versorgung mit Antioxidantien aus Spirulina die Haltbarkeit der Milch verbessert würde, weist Giller auf einen möglichen weiteren Vorteil hin. Bei der Futteraufnahme zeige sich übrigens kein Unterschied – den Tieren scheinen die Algen zu schmecken.

Die eigenen Food Waste Fallen untersuchen

In der Schweiz gehen pro Kopf und Jahr 330 Kilogramm Lebensmittel ungenutzt verloren oder werden verschwendet: auf dem Feld, in der Fabrik, im Restaurant, im Verkauf und in den Haushalten. «Das ergibt über die gesamte Lebensmittelkette 2.8 Millionen Tonnen pro Jahr», so Karin Spori vom Verein foodwaste.ch. Die Vermeidung von Food Waste sei ein wichtiger Puzzlestein auf dem Weg zu einem nachhaltigen Ernährungssystem, betont sie und erklärt, Food Waste bezeichne das Wegwerfen von Lebensmitteln, die für den Menschen produziert, aber nicht von ihm gegessen würden. Die Gründe dafür sind vielfältig und reichen von irreführenden Preissignalen, falschen Vorstellungen und Wissensmangel (z.B. betreffend Haltbarkeits- und Verbrauchsdaten) bis hin zu Bequemlichkeit.
In der Schweiz entstünden die meisten Abfälle – bezogen auf die Tonnage – in der Verarbeitung; besonders ins Gewicht fielen die Molke in der Milchindustrie und Kleie in der Weissmehlproduktion, da beide Nebenprodukte nicht für den Menschen vorgesehen seien. «Wenn Sie etwas gegen Food Waste machen wollen, kaufen Sie anstelle eines Weissmehlbrotes ein Vollkornbrot, weil dort viel mehr Nährstoffe für den Menschen genutzt werden», rät Spori.

Die Ernährung hat mehr Einfluss auf die Umwelt als unsere private Mobilität.

Die grösste Umweltbelastung durch Food Waste entstehe aber nicht in der Verarbeitung, sondern in den Haushalten. Dort weggeworfene Lebensmittel hätten bereits die gesamte Lebensmittelkette durchlaufen und entsprechend viel Energie und Ressourcen verbraucht. «Die Ernährung hat mehr Einfluss auf die Umwelt als unsere private Mobilität», verdeutlicht Spori die Tragweite der Lebensmittelverschwendung.
Häufig sei die Fehlinterpretation der Haltbarkeitsdaten ein Problem: «Sie können gewisse Lebensmittel bis über ein Jahr nach dem Mindesthaltbarkeitsdatum ohne Risiko geniessen», betont die Referentin. Die Lebensmittel stärker wertschätzen und sich mehr Gedanken um den eigenen Umgang mit ihnen machen – damit liessen sich bereits einige Food Waste Fallen umgehen, ist Spori überzeugt. Als Informations- und Sensibilisierungsplattform will foodwaste.ch dazu beitragen – weil fast drei Millionen Tonnen verschwendete Lebensmittel zu viel sind.

Proteine der Zukunft: Insekten

In Afrika und Asien gelten Insekten als vollwertige, nachhaltige und billige Eiweissquelle. In der Schweiz haben sie (noch) einen schweren Stand und gehören zu den Nischenprodukten.

Speiseinsekten sind gesund, nachhaltig und können in der Kreislaufwirtschaft sehr gut produziert werden.

Das könnte sich dank Christian Bärtsch, Gründer und CEO der Essento Food AG, ändern. «Speiseinsekten sind gesund, nachhaltig und können in der Kreislaufwirtschaft sehr gut produziert werden», argumentiert er. Gesund seien sie, weil sie frei von Antibiotika und Pestiziden sind und nebst hochwertigen Proteinen auch wichtige Vitamine, Ballaststoffe und essenzielle Nährstoffe enthalten. Auch bei der Nachhaltigkeit punkten Insekten: Sie setzten ihr Futter sehr effizient in Protein um, benötigten wenig Wasser und Fläche, würden kaum Treibhausgase ausstossen und könnten fast vollständig verarbeitet werden, zählt Bärtsch auf. Ausserdem ernährten sie sich von Lebensmittelresten und seien ideal für die Abfallverwertung einsetzbar.
Doch wie sieht es hierzulande mit der Bereitschaft aus, sich auf essbare Insekten einzulassen? «Ich hatte zu Beginn auch gewisse Vorbehalte», gibt Christian Bärtsch unumwunden zu. Doch schlussendlich lohne es sich, die mentale Hürde zu überwinden und sich an die ungewohnten Nahrungsmittel heranzutasten. Quasi als Einsteigerprodukte hat Essento denn auch Produkte im Sortiment, bei denen die Insekten nicht erkennbar sind. Am Ende gehe es darum, effizient hochwertige Nährstoffe zu erzeugen, «und da bieten sich die essbaren Insekten sehr gut an».

Fleisch ohne Tier

«Unsere Produkte sollen besser werden als tierisches Fleisch», verkündet Judith Wemmer von der Planted Foods AG die Vision des Startups. Damit meint sie: Besser in Geschmack und Textur. Besser für die Gesundheit. Besser für die Umwelt. Denn: «14.5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstosses und 91 Prozent der Abholzung des Regenwalds werden durch die Tierhaltung verursacht und wir schlachten weltweit jährlich 50 Milliarden Hühner.»

Wir lassen sozusagen das Huhn weg.

Noch bevor man diese Zahlen verdaut hat, präsentiert Wemmer die Lösung: «Wir lassen sozusagen das Huhn weg.» Anstelle Tiere mit Proteinen zu füttern, verarbeite Planted die pflanzlichen Proteine direkt zu Fleisch. Für Wemmer ist klar: Proteinreiche Nahrungsmittel zuerst den Tieren zu füttern und diese nachher zu essen, sei «weder ökologisch noch ethisch sinnvoll». Im Vergleich zu tierischem Poulet würden 74 Prozent weniger Treibhausgase ausgestossen und der Wasserverbrauch halbiere sich. Zudem sei das tierische Poulet ineffizient in der Umwandlung von pflanzlichen Proteinen in Muskelfleisch «beispielsweise, weil es herumläuft und einen Metabolismus unterhält».
Seit der Gründung von Planted sei klar gewesen, dass die Nahrungsmittel in der eigenen Produktion hergestellt werden sollen. Zum Betrieb gehören auch Mitarbeitende, die in der Forschung beschäftigt sind: «Wir haben die Möglichkeit, nur die Eigenschaften zu designen, die den Leuten auch schmecken.» Das geschieht in der öffentlich zugänglichen Fabrik in Kemptthal – und ganz ohne Zusatzstoffe, betont Judith Wemmer.

ZUR AUTORIN

Sarah Beyeler arbeitet am Forum für Universität und Gesellschaft.

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