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Der Referent Thomas Paroubek steht während seinem Vortrag hinter einem Rednerpult. Im Hintergrund ist ein Banner mit dem blauweissen Logo des Forums für Universität und Gesellschaft zu sehen.
«Das Thema ist klar! Die Migros setzt stark auf pflanzliche Alternativprodukte», betont Thomas Paroubek. Bild: © FUG / Manu Friedrich

Detailhandel im Visier

Umsatzstarke Detailhändler wie die «Migros» haben einen grossen Hebel, wenn es um die Nachhaltigkeit geht. Und damit entsprechende Verantwortung. Die reicht von der Preisgestaltung über die Deklaration bis hin zu ambitionierten «Verderbszielen».

Von Marcus Moser

Die Migros ist mit 95'000 Angestellten der grösste private Arbeitgeber der Schweiz. Insgesamt generiert die Migros-Gruppe einen Umsatz von 29 Milliarden Franken im Jahr. Keine Frage, dass einem Player dieser Grösse in Detailhandel, Industrie und Grosshandel eine massive Verantwortung in Sachen Nachhaltigkeit zukommt. «Ja, wir tragen Verantwortung. Das sind wir unseren 2.28 Millionen Genossenschafter:innen und der Gesellschaft schuldig», sagt Thomas Paroubek, Leiter der Direktion Nachhaltigkeit und Qualität bei der Migros. Nachhaltigkeit hat entlang der Wertschöpfungskette verschiedene Aspekte. «Zentral sind die Rohstoffe, das Produkt. Die Verpackung ist auch wichtig, aber deutlich nachgelagert.» Neben dem Produkt spielen der Transport, die Filialen, der Konsum und die Entsorgung wichtige Rollen.

Knapp ein Drittel weniger CO2 – bis 2030

Die Migros will im Sortiment bis 2030 28.5 Prozent weniger Treibhausgasemissionen verursachen. «Das ist sehr ambitioniert und betrifft jeden Teil im Sortiment: die nachhaltige Ernährung, die optimierte Tierhaltung, Lieferketten ohne Abholzung, die Landwirtschaft, die Labels, das Diverse.» Nahezu drei Viertel der CO2-Emissionen im Migros-Sortiment werden durch Fleisch, Milchprodukte sowie Kaffee und Kakao verursacht; Schweizer:innen essen unausgewogen, der Konsum von Fleisch, Zucker, Salz und Fetten ist rund um das Zweieinhalbfache höher als empfohlen. «Das Thema ist klar! Die Migros setzt stark auf pflanzliche Alternativprodukte», beteuert Paroubek. Und zum Vorwurf der überhöhten Preise von Bioprodukten: «Es darf keinen preislichen Hinderungsgrund zur Wahl dieser Alternativen geben. Darum gibt es auch solche von M-Budget.» Und entsprechende Marketinganstrengungen zur Absatzsteigerung. Der Januar heisst jetzt «Veganuary» und die Migros verspricht: «V-LOVE YOU».

Nachhaltigkeits-Check mit Sternen

Thomas Paroubek ist allerdings klar, dass damit das Thema noch nicht vom Tisch ist. Ein wichtiges Element ist die Bezeichnung: MCHECK heisst das Migros-Label und zeigt von einem bis fünf Sternen vorerst Tierwohl und Klimaverträglichkeit des jeweiligen Produkts an. Die Beurteilung erfolgt in Zusammenarbeit mit einem wissenschaftlichen Partner; die Methodik wird offengelegt – die Sterne gelten inzwischen als gemeinsame Währung bei den Verhandlungen von Migros mit den Zulieferbetrieben. Weitere Kriteriensterne sollen hinzukommen.

«Verderbsziele» für alle Filialen

Die privaten Haushalte sind für 38 Prozent des Food Waste in der Schweiz verantwortlich. Gross- und Detailhändler für 8 Prozent. «Unsere Filialleiter:innen haben neben Umsatz- jetzt auch Verderbsziele», erläutert Paroubek. 98,8 Prozent der Lebensmittel sollen auch als Lebensmittel verwendet werden. Food Waste soll mit einem Set von Handlungen bestmöglich verhindert werden. Dazu gehören tagesaktuelle Bedarfsschätzungen aufgrund Erfahrung und Wetter, Preisreduktionen vor Ablauf des Verbrauchsdatums, Verwendung in eigener Gastronomie, Abgabe an Hilfsorganisationen und Zusammenarbeit mit «Too Good To Go».

Die einfachen Dinge wie Lichtabschalten und Mülltrennen haben wir als Gemeinschaft gemacht, jetzt kommen Dinge an die Reihe, bei denen es einigen weh tut.

Rezepte optimieren, Verhaltensänderung bewirken

Zu viel Zucker, zu viel Salz, zu viel Fleisch, zu viel Milch: Es gibt gleich mehrere Ebenen, auf denen die Migros mit sogenannten Rezepturoptimierungen aktiv ist. Zeigen heute 1000 Produkte den Nutri-Score an, sollen es in drei Jahren alle 10'000 Produkte der Eigenmarken sein. «Die Konsumveränderung ist eine Herausforderung», unterstreicht Paroubek. «Die einfachen Dinge wie Lichtabschalten und Mülltrennen haben wir als Gemeinschaft gemacht, jetzt kommen Dinge an die Reihe, bei denen es einigen weh tut». Dazu gehören: Keine Kreuzfahrten, nicht Fliegen, ohne Auto leben. «In der Schweiz trinken 41 Prozent täglich Milch, 22 Prozent essen täglich Käse und 12 Prozent täglich Fleisch», erinnert der Referent. «Gleichzeitig gewinnt die Umwelt an Bedeutung. Die verschiedenen Ernährungstypen verlangen aber unterschiedliche Strategien.» Die zentralen Treiber über alle Ernährungstypen (vegetarisch, flexitarisch, karnivor) hinweg seien Preis und Geschmack, verrät Paroubek. Daran arbeite die Migros. Eine nachhaltige Ernährung sei möglich, unter drei Bedingungen: Dass wir mehr pflanzliche statt tierische Proteine und weniger Zucker konsumieren. Dass wir Food Waste vermeiden. Dass alle Beteiligten zusammenwirken: der Detailhandel, die Industrie, die Politik, die Landwirtschaft und die Konsument:innen.

ZUM AUTOR

Marcus Moser ist Geschäftsleiter des Forums für Universität und Gesellschaft

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Die Videoaufzeichnung von Thomas Paroubeks Vortrag können Sie sich hier ansehen. 

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